Eine der Aufgaben in der KiTa ist das verarzten von Wunden und das Kleben von Pflastern.
Manchmal passiert der Unfall direkt vor meinen Augen.
Ein Fahrzeug Crash, ein Sturz beim Rennen, oder das Klemmen der Finger.
Die Tränen und das Blut fließen.
Kühlpack, Taschentücher, Pflaster und eine tröstende Umarmung werden jetzt sofort gebraucht.
Manchmal ist es auch anders…
Ein Finger wird mir weinend entgegengestreckt.
„Guck mal, da habe ich mich gestern mit der Schere geschnitten!“
Es fließt kein Blut mehr, die Wunde ist nicht mehr frisch und meines Erachtens könnte auch Luft die Heilung herbeiführen.
Dafür steigen jedoch die Tränen in die Augen.
Ich schaue mir den Finger an und sage: „Oh, du hast dich gestern mit der Schere verletzt!“
Die Tränen kullern nun die Wange herunter und die Antwort lautet: „Jaaaaahaaaaa!“ Ich frage: „Hmmm, was kann jetzt helfen? Was brauchst du jetzt?“
Eine kurze Pause- „Ein Pflaster!“
Ich hole die Pflasterrolle, schneide ein Pflaster ab und klebe es um den Finger.
Im nächsten Moment wird schon weiter gespielt.
Das Phänomen der alten Wunden begegnet mir immer wieder.
Manchmal kaum mehr zu erkennen und schon fast verheilt, gibt es Momente, in denen sie nochmals Beachtung, Zuwendung und manchmal ein Pflaster brauchen.
Meine Kollegen und ich nennen dieses Pflaster gerne ein Pflaster für die Seele.
Das Thema Wunden, Schmerzen und Verletzungen begegnet mir jedoch nicht nur auf körperlicher Ebene.
Seelische Wunden und emotionale Verletzungen begegnen mir in der Beratungsarbeit, in Gesprächen mit Freunden und Familie.
Und dann gibt es noch die eigenen Wunden.
Manche schon alt und vernarbt und manche ganz frisch, offen und schmerzend.
Mich ermutigt der Umgang der Kinder mit ihren ganz frischen Wunden
– aber auch ihren „alten“ Wunden.
Sie kommen angelaufen und zeigen mir den Ort wo der Schmerz sitzt und gemeinsam können wir überlegen, was helfen kann.
Sie erleben, dass das Mitteilen von ihrem Schmerz die Möglichkeit bietet, Hilfe, Trost und Linderung zu verschaffen.
Ich erlebe bei Erwachsenen oftmals einen anderen Umgang.
Da wird der Schmerz mit sich selbst ausgemacht, die Wunde versteckt, nicht drüber gesprochen und die Tränen fließen allein.
Mit diesem Blogbeitrag möchte ich Mut machen, sich an den Umgang der Kinder mit ihren Verletzungen zu erinnern.
Ich durfte es persönlich in den letzten Wochen erfahren.
In meiner Familie haben wir einen schmerzhaften Verlust erlitten.
Mein Umgang damit bestand unter anderem darin, Lieder und Zitate die mich in dieser Zeit begleitet haben zu posten.
Eine Leserin meiner Posts fragte mich, wie es mir geht.
Es war nicht die Person, der ich davon erzählt hätte.
Ich stand also vor der Entscheidung meinen Schmerz zu teilen und meine Wunde zu zeigen, oder diesen für mich zu behalten.
Ich entschied mich dazu, zu erzählen.
Zu sagen: „Hier tut es weh!“ und meine Traurigkeit zu teilen.
Und dieses Teilen, eröffnete auf einmal einen Raum, in dem nicht nur ich meinen Schmerz teilte, sondern in welchem ich von ihrem Schmerz erfuhr.
Und ihrem Umgang damit. Und was ihr geholfen hat.
Eine Verbindung entstand.
Verbindung – wie Verband – wie ein Pflaster.
Mein Schmerz ist noch da, die Wunde blutet noch und ist ganz frisch.
Jedoch wurde durch das Zeigen meines Schmerzes die Möglichkeit geschaffen ein Pflaster zu erhalten - und Trost.
Und das tut gut!
Und dann erinnere ich mich an einen Vers, der in der Bibel steht:
„Durch seine (Jesus) Wunden sind wir heil geworden!“ Jesaja 53,5
Durch die Wunden eines Anderen Heilung und Linderung zu erfahren –
da scheint ein Geheimnis drin zu liegen.
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